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Luise will "nach Hause". Das weiß vor allem Albert, ihr Gatte. Verzweifelt bemüht er sich immer wieder, ihr zu erklären, dass das Pflegeheim hier jetzt ihr Zuhause sei. Aber auch er vermag es immer seltener, die dichter werdenden Grauschleier ihrer Welt zu durchdringen ....
"Guten Morgen, Luise, gehen wir wieder zu den 'Großen alten Bäumen' ?!"...., begrüße ich sie.
An der alten Eiche lässt sie es zu, dass ich ihre Hand an der dicken Rinde entlang führe. Ihre fahrig suchenden Finger finden für einen Augenblick Ruhe und Geborgenheit, während sie tiefe Furchen gelebten Lebens langsam abtasten... "Vielleicht sind ja die großen alten Bäume auch ein bisschen 'Zuhause'...?!" überlege ich laut.
Eine Woche später, am gleichen Ort: "So alt und kraftvoll, der Baum", bemerke ich, als ihr Blick sich fast ehrfürchtig den langen hohen Stamm entlang hebt - ganz entgegen ihrer sonstigen Art, konsequent zu Boden zu schauen.
"Dann gehen wir nach Hause, und dann ist es dunkel und kalt und nicht so schön." vernehme ich erstaunt.
So klare, zusammenhängende Sätze hatte ich bisher von Luise noch nie gehört.
"Vielleicht ist es ja auch schön, vielleicht ist da auch Licht ?!", biete ich ihr an.
"Ja..." und mit einer ausholenden Geste weist sie in Richtung der umstehenden Bäume: "und die Anderen".
Als sie - wieder im Heim angelangt - flüchtig Alberts Hand berührt, erreicht ihn ein stilles Lächeln auf Luises Lippen.
Es gibt wenige Dinge, welche so kostbar, so verlässlich und unwiederbringlich für uns sind wie unsere eigene
Lebenserfahrung. Diese kann uns nur das Leben selbst schenken in unseren Begegnungen, Wegen und Schöpfungen,
in den Spiralen der Zeit, welche sich als Jahresringe um unser Inneres gelegt haben.
Wenn ich alte Menschen begleite - im Heim, in der Klinik oder Begegnungsstätte, fühle ich mich beschenkt, an diesem Reichtum teilzuhaben.
Es scheint, dass die Seele in jedem Alter bestrebt ist, bisher Ungelebtes endlich ans Tageslicht zu bringen - sei es ein künstlerisches Talent, eine klärende Begegnung, eine alte Leidenschaft - genau wie die Pflanze, welche sich immer nach dem Sonnenlicht richtet...
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